Yoga Nidrā


Yoga ist ein Zustand des Geistes, bei dem wir ganz in der Tiefe unseres Seins ruhen. Nidrā bedeutet Schlaf – meint aber auch alle dem Schlaf ähnliche Zustände, und zwar ganz besonders die Phase vor dem Einschlafen und jene kurz nach dem Aufwachen. Yoga Nidrā ist eine yogische Form der Tiefenentspannung und basiert auf einer Jahrtausende alten Übungspraxis mit dem Ziel, einen tieferen Bewusstseinszustand zu erreichen. Es ist eine Technik, die die Achtsamkeit trainiert und tiefe körperliche Ruhe und mentale Klarheit bringt.

Diese Methode des achtsamen Körperwahrnehmens ist wissenschaftlich untersucht – über Blutdruckmessungen, Hormongehalt des Blutes und Kernspinbilder vom Gehirn. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass sich über eine längere Praxis der Blutdruck normalisiert und der Hormonhaushalt ins Gleichgewicht kommt. Auch für Menschen, die unter Stress, chronischen Schmerzen, Schlaf- und Angststörungen leiden ist diese Praxis hilfreich.

Yoga Nidrā entstammt der himalayischen Tradition des Yoga. Ihre Verbreitung im Westen ist vor allem Swami Rama (1925 – 1996) zu verdanken. Sehr bekannt wurde im Westen das Yoga Nidrā auch durch Swami Satyananda Saraswati (1923 – 2009).

Vor allem Lehrer aus dem Tantra Yoga haben sich mit den Bewusstseinszuständen beschäftigt. In der mystischen Sichtweise des Tantra, dem auch der Hatha-Yoga entspringt, wird der Körper als Ausdruck der göttlichen Schöpfung verstanden. Damit die Menschen dies erfahren konnten, entwickelten die Meister des Tantra unterschiedliche Methoden, darunter „Nyasa“, (wörtlich: aufdrücken). Dies bedeutet, dass die Aufmerksamkeit an einen bestimmten Punkt des Körpers „aufgedrückt“ wurde. Ursprünglich war damit gemeint, ein Körperteil wahrzunehmen und ein Mantra zu chanten. In der heutigen Zeit wird auf das Mantra-Ritual verzichtet. Stattdessen wird die Achtsamkeit durch das Lenken auf ein Körperteil fokussiert und vertieft. Durch das häufige wiederholte Kreisen der Wahrnehmung durch den Körper verbessert sich die Körperwahrnehmung, so dass er in seiner Gesamtheit wahrgenommen werden kann. Gleichzeitig werden die entsprechenden Anteile in der Großhirnrinde aktiviert. Das systematische Lenken der Wahrnehmung durch den Körper gilt als das Herzstück von Yoga Nidrā.

 

Einbettung von Yoga Nidrā in der Yoga-Philosophie


-       Yoga Nidrā basiert auf dem Yoga Sutra des Patanjali – dem Achtstufigen Pfad – der 4. Stufe: Pranayama – bewusste Atemerfahrung, der 5. Stufe: Pratyahara – dem Zurückziehen der Sinne (Indriyas) sowie der 6. Stufe: Dharana – Konzentration.

 

-       In der Chandogya Upanishad findet sich eine Parabel, die die Wichtigkeit der fünf Sinne in den Vordergrund stellt.

 

-       In der Mandukya Upanishad werden besonders die Bewusstseinszustände erläutert und anhand der Silbe AUM definiert.

 

Der Asana-Übungspraxis in der Tradition nach BKS Iyengar und Yogasana-Yoga fühle ich mich verbunden. Auch wenn ich keinerlei Hinweise in der einschlägigen Iyengar-Literatur zu Yoga Nidrā gefunden habe, bin ich der Meinung, dass Yoga Nidrā eine wertvolle Ergänzung zu dieser detaillierten Praxis sein kann. Das Wahrnehmen „jeder Pore“ und einzelner Körperteile ist in der Asana-Praxis in der Tradition nach BKS Iyengar und der Yogasana-Yoga-Tradition bestens bekannt.

Für Mr. Iyengar war es wichtig, nach dem Üben von Yoga-Haltungen ein ausgiebiges Savasana (Entspannungshaltung) folgen zu lassen. Savasana ist der Einstieg in Yoga Nidrā.

„Ruhe in Savasana bedeutet, dass man Meister über sein inneres Selbst wird und sich einem höheren Bewusstsein hingibt.“

„Wenn Sie Savasana üben, zieht sich die Aufmerksamkeit der Sinnesorgane von der Außenwelt zurück, Körper und Geist werden eins“. (BKS Iyengar, Yoga der Weg zu Gesundheit und Harmonie).



Karin Zugck©